Als Frau in den Ingenieurberuf?! Ja, klar!

Echte Einblicke und wie Du die Chancen nutzen kannst

Katrin Dietz
Eine Frau am Anfertigen einer Skizze.

Nur knapp jede fünfte Ingenieursstelle in Deutschland ist Ende 2022 von einer Frau besetzt. Die Anteile von Ingenieurinnen und Studentinnen im MINT-Bereich steigen jedoch kontinuierlich, von 2012 bis 2022 gab es eine Steigerung um 30,6 Prozent. Langsam (aber sicher!) werden die althergebrachten Denkschubladen neu sortiert oder gleich ganz abgeschafft. Es gibt zahlreiche Programme um, mehr Frauen in den MINT und insbesondere den Ingenieurbereich zu bringen, dazu gehören Initiativen an Schulen und Mentorings.

Doch wie ist es überhaupt, als Frau in diesem Bereich zu arbeiten? Welchen Herausforderungen muss man sich als Ingenieurin stellen? Wir zeigen Dir, was Dich erwartet und wie Du im Joballtag mit dem oft unausgeglichenen Geschlechterverhältnis umgehst.

Das erwartet Dich als Ingenieurin

Als Frau im Ingenieurbereich wirst Du heute überwiegend mit männlichen Kollegen zusammenarbeiten. Wenige Branchen (wie die Kunststoffherstellung) stechen heraus, hier sind die Anteile nahezu ausgeglichen. Entsprechend der Statistik werden Frauen also überwiegend von männlichen Kollegen, Vorgesetzten und Entscheidern umgeben sein. Diese Unterrepräsentation kann zu einem Gefühl von Isolation oder Abgrenzung führen.

Wenn keine weiteren Frauen in der Umgebung sind, fehlen Vorbilder und die Gefahr für das "Schubladendenken" steigt. Es fällt auch auf, dass sich in den "weniger technischen" Disziplinen des Ingenieurwesens und den zugehörigen Aufgaben häufiger Frauen betätigen. Das zeigt sich z.B. darin, dass in der Maschinen- und Fahrzeugtechnik (Frauenanteil 12,8 Prozent) und Energie- und Elektrotechnik (10,8 Prozent) die Anteile sehr niedrig sind. Spielen auch hier Voreingenommenheit und Stereotypen eine Rolle oder doch die individuelle Stärke? Beides möglich.

Eine unausgewogene Jobumgebung kann zu einem Arbeitsklima führen, indem sich Frauen nicht ausreichend unterstützt, gehört oder respektiert fühlen. Da es dann schwierig ist, die eigenen Ideen in die Umsetzung zu bringen und selbstbewusst z.B. in Meetings aufzutreten. Ist dies der Fall, so spiegelt sich das auch in mangelnden Aufstiegschancen und einem Nachteil beim Gehalt wider.

Was ist mit Sexismus und blöden Sprüchen? Gibt es vereinzelt, wie auch in anderen Berufsbildern. Und zwar ausgehend von Männern und von Frauen.

Warum auch von Frauen? Schauen wir auf das Bild, das die meisten von uns im Kopf haben, wenn wir über einen Ingenieur sprechen (hier absichtlich die männliche Bezeichnung gewählt). Dieses ist noch immer maskulin definiert und wir erwarten von Männern damit fast automatisch eine kompetente Antwort und gute Lösungen zu technischen Themen. Frauen in diesem Bereich fallen mehr auf, sie passen nicht so recht in das klassische Ingenieurbild und das zeigt sich auch in der Erwartungshaltung. Vereinzelt neigen männliche Kollegen dabei zu übertriebenen Erklärungen an die weiblichen Mitarbeiter (sog. Mansplaining). Es ist an uns allen, hier Fortschritte zu machen und die Bilder der Realität anzupassen.

Diese Beobachtungen sind sehr allgemein gehalten und so sind längst nicht alle Ingenieurinnen von allen Punkten betroffen. Zudem haben Unternehmen und viele (vor allem die guten!) Führungskräfte längst erkannt, dass gemischte Teams deutlich wertvoller sind und bessere Ergebnisse liefern. Und - liebe Mit-Ingenieurinnen - wir haben auch viel selbst in der Hand. Drehen wir die Perspektive doch einmal um:

Chancen für und durch Frauen im Ingenieurberuf:

Grundsätzlich gilt: Angesichts der vorherrschenden männlichen Dominanz in technischen Berufen bleiben Ingenieurinnen besonders gut im Gedächtnis haften. Solange das so ist, können wir diese Tatsache auch geschickt zu unserem Vorteil nutzen! Mit Qualität, Fachkompetenz und neuen Ideen ist es für uns sogar oft leichter, in unseren Positionen herauszustechen und erfolgreich zu sein.

Wir Frauen bringen eine "andere" und oft sehr kraft- und wertvolle Art der Kommunikation in die Ingenieurswelt. Dies bereichert die Tech-Branche enorm, insbesondere beim Blick auf Teamarbeit. Eine offene und effektive Kommunikation, die auch das Zwischenmenschliche berücksichtigt, ist entscheidend, um Anforderungen sowie Ziele von Projekten zu verstehen und mit idealer Zusammenarbeit zu erreichen. Hier spielen viele Ingenieurinnen ihre Stärken aus!

Durchschnittlich betrachtet, neigen wir Frauen dazu, reflektierter zu sein - wir denken mehr über uns und unsere Handlung nach. Diese Eigenschaft zeigt sich in unseren Ergebnissen, diese werden ganzheitlicher und die Qualität steigt.

Divers aufgestellte Teams erzielen nachweislich bessere Ergebnisse und das spiegelt sich im Arbeitsalltag wider. Bei gemischten Teams fließen zahlreiche unterschiedliche Gedanken, Perspektiven, Stärken und Talente in die tägliche Arbeit ein. Das schafft eine dynamische Atmosphäre, führt zu fundierteren und besseren Entscheidungen und macht das Team insgesamt deutlich widerstandsfähiger gegenüber Veränderungen und Unsicherheiten.

Gemischte Teams sind auch noch aus einem anderen Grund ein Vorteil: Besonders bei Produkten für Endverbraucher ist es wichtig, dass unterschiedliche Blickwinkel schon in die Entwicklung miteinfließen. Wenn also Ingenieurteams die gleiche Vielfalt wie ihre Kund:innen aufweisen, können sie besser auf die Bedürfnisse und Vorlieben der Nutzer:innen eingehen. So entstehen Produkte und Dienstleistungen, die wirklich für alle relevant und optimal gestaltet sind. Das ist ein immenser Sprung in der Qualität!

Abschließend haben Frauen in der Technik die Chance, als Role Models zu agieren und so junge Frauen zu inspirieren und in ihren beruflichen Entscheidungen zu stärken. Indem sie ihre Erfolge sichtbar machen, brechen sie die Stereotypen auf, teilen wertvolle Erfahrungen, fördern das Selbstvertrauen junger Frauen und eine inklusive Arbeitskultur. Der Einfluss dieser Vorbilder verursacht Veränderung von Denkweisen, fördert die Vielfalt in der Technik und trägt zum Fortschritt der gesamten Branche bei.

6 Tipps für Dich als Ingenieurin, um diese Chancen zu nutzen:

  • Erkenne Deinen eigenen Wert! Glaube an Deine Fähigkeiten und Qualitäten als Ingenieurin. Das hilft, technische und zwischenmenschliche Herausforderungen zu meistern. Zur eigenen Meinung zu stehen und diese auch klar und präzise zu kommunizieren und zu vertreten, lässt Vorurteilen keine Chance!

  • Setze klare Erwartungen! Und fordere diese auch ein, dazu gehört auch Gleichberechtigung. Chancengleichheit geht uns schließlich alle an und jede:r kann einen großen Anteil leisten.

  • Siehe Gleichberechtigung als Standard! Gehe nicht davon aus, dass Du als Frau eine Sonderbehandlung bekommen wirst. Und auch nicht davon, dass Du dich ständig beweisen und für Dein Handeln rechtfertigen musst. Bringe Dein Denken dorthin, dass Gleichberechtigung der Normalfall für Dich ist, das überträgt sich auch auf Dein Umfeld!

  • Kreiere Dein positives Selbstbild! Erkenne und feiere Deine eigenen Erfolge und Fähigkeiten und arbeite an einem positiven Selbstbild von Dir. Du hast Deinen Platz im Ingenieurwesen verdient!

  • Sei mutig! Siehe Herausforderungen als Chancen zur persönlichen und beruflichen Weiterentwicklung. Sei mutig genug, Dich neuen Aufgaben zu stellen und scheue auch unbekanntes Terrain nicht.

  • Suche Dir Unterstützung! Supportet euch gegenseitig, fordere Feedback für Dich, netzwerke und tausche Erfahrungen aus. Und dabei gilt es, sich nicht in einer "Bubble" der immergleichen Personen zu verstecken, übe den Blick über die Grenzen hinaus!

Ist das ein reines Frauenthema?

Und - jetzt mal Klartext - die beschriebenen Herausforderungen betreffen auch viele männliche Kollegen. Fehlende Anerkennung, Wertschätzung und mangelnde Durchsetzungsfähigkeit muss nicht geschlechtsspezifisch sein. Dazu kommt, dass das Berufsfeld von Ingenieur:innen von ständigem Wandel und dynamischen Anforderungen geprägt ist und diese Themen betreffen stets das gesamte Team. Und hier liegt auch die Lösung:

Indem wir uns gemeinsam für Chancengleichheit, Diversität und eine respektvolle Arbeitskultur einsetzen, können wir eine Umgebung schaffen, in der jede:r, unabhängig von Geschlecht, die individuellen Stärken auch entfalten kann. Und davon profitieren wir letztlich alle.

Kurz gesagt:
  • Du bist Ingenieurin oder Studentin im MINT-Bereich? Keine Scheu vor der Arbeitswelt, rein ins Geschehen, denn Deine Stärken werden gebraucht!
  • Als Ingenieurin wirst Du - rein statistisch - mehr Männer als Frauen um Dich haben. Das muss kein Nachteil sein. Mit Selbstbewusstsein und präziser Kommunikation klappt der Einstieg und eine positive Denkstruktur hilft auch langfristig, die Chancen zu nutzen.
  • Gestalte Dir ein persönliches Netzwerk um Dich. Tausche Dich z.B. mit Kolleg:innen aus. Unterstützt euch gegenseitig, nutzt Mentoring-Möglichkeiten und das, ohne euch zu "verstecken". Denn das habt ihr nicht nötig!

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